über mich:
Hannes Bauer´s Orchester Gnadenlos
 

Teil 3

Fortsetzung von Teil 2:

Aktualisiert: 04.12.2001

Wer´s kennt, nimmt Teil 4, und zwar hier!

  Dies ist Teil 3
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Der dritteTeil, die siebziger bis achtziger Jahre
 

BOCK ROCK war Elvis und Chuck Berry rauf und runter, mit ´n bißchen Hans Albers dazwischen und Kubikmeterweise Bier.. Wenn Wolf Rimmler, der Sänger, Trompeter und Kampftrinker beim 20. oder 30. Bier angelangt war, schwamm die Bühne im Hamburger "LOGO", weil die achtlos auf den Boden gestellten, halbleergestrunkenen Humpen von uns schwitzenden, torkelnden und triefenden Halbirren regelmäßig umgekippt wurden. Irgendwann rutschte ich mal in der Alkoholsuppe aus und konnte mich nur durch eine Rolle rückwärts retten. Dabei spielte ich weiter Gitarre und kam auch wieder am selben Platz zum stehen. Diese Nummer wurde dann perfektioniert und immer wieder gebracht, bis ich mal mit dem Hals meiner ´57ziger Gibson SG Standard beim Rückwärtsrollen einem Bühnenpfeiler zu nahe kam, worauf die Gitarre in tausend Stücke zersplitterte. Die Nummer wurde daraufhin eingestellt und es gab bei mir zuhause für ein halbes Jahr nichts Ordentliches mehr zu Fressen, weil ja ´ne neue Gitarre bezahlt werden mußte.

Besonderes H A I L E I T bei BOCKROCK war auch Manfred Noll, "Noller", der Trommler. Er hatte eine monströse Sammlung von Faschingskostümen, Perücken und Masken , die er blitzschnell wechseln konnte und die zu jedem Auftritt mit mußten. Wenn wir dann spielten, kuckte ich mich ständig nach dem Trommler um, weil hinter der Schießbude in kürzesten Abständen mal der Papst, Adolf Hitler oder ein Ziegenbock mit roten Haaren à la Ronald McDonald saß. Noller hatte die verrücktesten Sprüche und Weiber-anmachen drauf, die ich bis dahin gehört hatte. In seinen Spontanstorys, die ganze Kneipen zum Brüllen brachten, kamen hauptsächlich Rehkeulen, gepreßte Biber in Aspik, Sioux-Indianer und Kümmelspalterverkäufer bei der Hamburger Haushaltwarenkette "Tausend Töpfe" zum tragen, die alle ganz dringend auf einem Senf-Rad-getriebenen Eulenaugenzerreißer die Prominentenmesse in Kapstadt, die Pferdehufmesse in Nairobi und ähnliche wichtige gesellschaftliche Ereignisse erreichen mußten.

Tja, BOCKROCK war eine echte "Hamburger Szene-Band". Bei BOCKROCK habe ich das Musikmachen jenseits der 3 Promillegrenze gelernt. Damals war es ja noch üblich, betrunken Auto zu fahren, deswegen wußte man manchmal am nächsten Tag gar nicht, ob man überhaupt beim Auftritt war oder nicht. An dem Geld in der Tasche konnte man´s nicht erkennen, denn das wurde meistens sowieso schon am Auftrittstage versoffen oder verloren. An den vom Bier aufgeweichten Kaubeuboots konnte man es schon eher erkennen.

Der obligatorische Plattenvertrag kam so um 1975 mit Frank Dostal und seiner Firma "Gorilla-Musik".

Es wurde mit sehr viel Zeitaufwand und Bier die Platte BOCKROCK "Panoptikum" aufgenommen, eine Mischung aus Ulk, Uraltrock und Urbock. Jetzt, nach 25 Jahren, habe ich die Platte mal wieder aufgelegt. Ich habe mich halbtotgelacht! Die unperfekt gespielte Grütze und die Ultrasprüche von früher haben´s gemacht:

Panoptikum ist echt ´ne Lachplatte. Wenn Du das Ding auf irgendeinem Flohmarkt mal siehst - sofort kaufen! Damit kann man nichts verkehrt machen, selbst wenn der Diehler dafür´n Fuffie haben will.

Hannes auf St. Pauli:

Eines Tages 1977 rief Bernie Schulz, der ehemalige Pianist der "Rattles" bei mir an: "Hannes, ich mach hier ´ne Band im "Chikago" am Hans-Albers-Platz/Reeperbahn. Herbert Hildebrandt und Nils Taby sind auch dabei." Die beiden kannte ich, alles Beatband-Oberliga der ersten Stunde. Ich nix wie hin, endlich mal mit bekannten Leuten spielen. In der Band war ich das Küken mit 25 Jahren. Das "Chikago" gehörte Ringo, einem auf dem ganzen Kiez geachteten und bekannten Mann, der mit seinem breiten verschmitzten Grinsen etwas von einem Westernhelden hatte . Die speziellen Jungs von St. Pauli trafen sich hier, zeigten stolz ihre neuesten Mädchen vor, spielten Karten (tagelang, es war durchgehend geöffnet) und tätigten wichtige Geschäfte. Es gab auch ein Hinterzimmer... Ringo hatte einen niedlichen kleinen Hund, der sah aus wie die Mischung aus einem Schwein und einem Haifisch. Dieser Hund bewachte stets die Anlage auf der Bühne . Fortan ließen wir unsere Instrumente, auch die kostbarsten, bei Ringo im Chikago rumstehen. Es ist nie was weggekommen.

Das Feeling des pleitegegangenen alten STARCLUBs sollte im "Chicago" zu neuem Leben erweckt werden. Das Programm der Band "Rockzirkus" wurde während des ersten Auftritts festgelegt und auch gleichzeitig eingeübt. Alles alte Rock&Roll-Standards aus der STARCLUB Zeit.Whole lotta shakin´ bis der Arzt kommt.

Das erste Konzert schlug ein wie eine Bombe. Von da ab spielten wir ohne Ausfälle 2 Jahre lang jeden Freitag und Samstag von nachts 3 Uhr bis in die Puppen. Ab der ersten Woche war ganz St. Pauli am Wochenende nachts um drei im "Chikago". Die Mädels, die dann ihre Schicht gerade beendet, und die Jungs, die gerade die schwere Arbeit des Abkassierens hinter sich hatten, feierten uns riesig ab, denn wir spielten ihre Lieblingsmusik, nachts um 3 Uhr, und zwar so laut, das ich regelmäßig bis zur Wochenmitte keine Vogelzwitschern und keinen Straßenlärm mehr hören konnte. Die Zwischenrufe aus dem Publikum bedeuteten größte Anerkennung: "Macht Feuer, ihr Schweinemörder!" und "Attacke!" und "Ihr seid meine Mörder!", wenn es mal 3 Sekunden Pause zwischen den Stücken gab:"Nicht einschlafen hier, gebt Feuer!". Es wurde fröhlich gesoffen, gebrüllt, geraucht und gechristofdaumt. Nach einem halben Jahr kaufte Ringo den Nachbarladen auf, machte einen Durchbruch, und das Chikago hatte die richtige Größe. Elke Sommer, Uschi Obermaier, Prinz von Homburg, und weiß der Teufel, alle Arten von Prominenz waren dort vertreten.

Aus dem Geheimtip "Chikago" wurde ziemlich schnell eine Touristenattraktion. Es wurde so brechend voll, sodaß die Mädels und Jungs vom Kiez sich langsam aber sicher so nach einem Jahr zurück-zogen, diese Art von Popularität war nicht mehr das richtige Klima für das etwas andere Gewerbe. Touristen und Stammgäste aus anderen Stadtteilen und dem Umland bis nach Lüneburg übernahmen, auch die Sprüche und Anfeuerungsrufe. Für uns blieb also fast alles beim alten, nur daß man nicht mehr jedes Gesicht kannte, welches dort auftauchte.

Der Ruhm des Chikago breitete sich aus, und nun trat sich auf einmal die gesamte Musikerprominz gegenseitig auf die Füsse. Erik Burdon, Gary Glitter, Steve Mariott, Rod Stewart, Inga Rumpf, Dave Dee, Dozy, Bicky Mick & Tich, die Troggs, Tony Sheridan und ´zig andere zu der Zeit angesagten Musiker kamen ins Chikago, wurden auf die Bühne gedrängt, und gaben, von "Rockzirkus" begleitet, ganze Konzerte.

Ich lernte damals, daß diese Stars alle ganz normale Menschen sind, und verlor den Horror vor bekannten Namen. Auch als der große Veranstalter Fritz Rau mit seinem Star und Schützling Udo Lindenberg hereinspazierte, war das inzwischen schon für mich nicht mehr ungewöhnlich. Ich forderte Udo auf, sich ans Schlagzeug zu setzen und mitzuspielen, denn ich wußte, daß er früher Schlagzeuger war. Das tat er dann auch. Es war meine erste Begegnung mit Udo. Er war immer noch Klasse an der Trommel, obwohl er schon lange nicht mehr geübt hatte. (1979)

 
So, Fortsetzung folgt:
 
In den nächsten Folgen: Udo Lindenberg & Panikorchester, Gründung von BAUER, GARN & DYKE, und vieles mehr...
 

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